Keramik des Früh- bis Hochmittelalters: Badorfer Ware

Zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert wurden am Töpfereistandort Badorf (eine der Töpfereien im Rheinischen Vorgebirge) u.a. die sogenannten Reliefbandamphoren sowie Töpfe mit Reliefband produziert.

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Mit Viereckrollstempeln verzierte Fragmente von Leistenauflagen einer Reliefbandamphore (Foto: Biggi Schroeder)
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Gemeinsames Merkmal sind aufgelegte bzw. verstrichene Leisten mit und auch ohne Dekor. Oft sind die Leisten aber mit Rollstempeln verziert. Bemerkenswert ist auch die beachtliche Größe der Gefäße. Man kann sich gut vorstellen, dass diese als Transport- oder Vorratsgefäß gedient haben. Auch über die Verzierung kann man spekulieren: Es könnte ein die Amphore umschlingendes Seil imitieren – etwa in der Art wie es die Römer zum Transport Ihrer Amphoren verwendeten. Es kann aber auch einen ganz anderen Zweck erfüllt haben: Rainer Schreg erwähnte beispielsweise einmal, dass diese Leistenauflagen möglicherweise auch der Stabilisierung des Gefäßes gedient haben könnten.

Badorfer Ware oder „Ware des Typs Badorf“ im Fundspektrum?

In meinem Fundspektrum sind auch einige Fragmente von Leistenauflagen sowie 3 Randscherben, welche auf der Randlippe eine Rollstempelverzierung tragen, vertreten. Ich hatte aufgrund von formalen und – soweit möglich- warentechnischen Kriterien vermutet, dass es sich dabei um die Badorfer Ware handeln könnte. Technisch zeichnet diese sich u.a. durch eine sehr feine Magerung (bis auf einige Ausreißer – siehe Foto) und eine matte, kreidigglatte Oberfläche sowie einen oxidierenden Brand aus. Aber ich wollte Gewissheit, also musste eine Autopsie her.

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Randscherbe der Badorfer Ware, die Randlippe ist mit Rollstempeldekor verziert. (Foto: Biggi Schroeder)

Dirk Herdemerten von der ARCHBAU in Köln bot mir spontan an, dass sich sein Mitarbeiter, Dieter Hupka, die Scherben einmal ansehen könnte. Dieter ist der Spezialist, wenn es um die Bestimmung von Warenarten aus dem Rheinischen Vorgebirge geht. Er schaute sich meine mitgebrachten Scherben unter Betrachtung der formalen und herstellungstechnischen Kriterien an.
Sein Fazit: Nach Autopsie der Stücke lässt sich eine Herkunft aus dem Vorgebirge/(‚Villle‘ bei Köln) begründet annehmen. Der Herstellung der Reliefbandamphoren ist aber nicht in Badorf allein zu lokalisieren, vielmehr kommen ebenso die Nachbarorte Eckdorf und Walberberg in Betracht. Die Befundlage ist generell für die Badorfer Ware nicht so gut wie im Falle von Pingsdorf, wo Töpferöfen und Material in relevanter Menge zutage kamen. Es ist sinnvoller, die Bezeichnung „Vorgebirgskeramik vom Typ Badorf“ zu verwenden, um Missverständnisse bzgl. der Provenienz auszuschließen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Dieter, Dirk und dem Team der ARCHBAU Köln für die unkomplizierte, „länderübergreifende“ Unterstützung bei der Keramikbestimmung.

Arbeitsgemeinschaft Altsteinzeit und Mittelsteinzeit Hessen

Wenn Steine sprechen…

Bei meinen Nachforschungen kann es durchaus vorkommen, das ich hin und wieder auch auf Silexartefakte oder Scherben von Gefäßen aus der Jungsteinzeit treffe. Das ist eine Zeitstellung, die ich gerade so noch nachvollziehen kann.

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Lesefunde einer linienbandkeramischen Siedlungsstelle in meinem Begehungsgebiet: Silex-Artefakte (untere Reihe) sowie ein Dechsel (Foto: Biggi Schroeder)

Die Alt- und Mittelsteinzeit hingegen ist für mich persönlich ein „Buch mit 7 Siegeln“. Sehe ich Steinartefakte aus dieser Zeitstellung, habe ich große Mühe diese als solche wahrzunehmen. Nicht so die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Altsteinzeit und Mittelsteinzeit Hessen. Ich finde es bemerkenswert, mit welchem Enthusiasmus und Engagement die hier organisierten Ehrenamtlichen, Archäologen und Prähistoriker das Forum der AG mit ihrem immensen Wissen füllen.

Es ist meiner Meinung nach ein ideales Forum für alle, die ein ernsthaftes Interesse an der Mittel- und Altsteinzeitforschung haben. Hier ist der Link zu der Webseite: Arbeitsgemeinschaft Altsteinzeit und Mittelsteinzeit Hessen

 

Die DGUF kommentiert den Entwurf zum neuen Kulturgutschutzrecht

Die Stellungnahme der DGUF zu dem Entwurf des neuen Kulturgutschutzrechts zeigt explizit die dramatischen Folgen auf, welche sich bei unveränderter Inkraftsetzung ergeben würden. Auch weitere Verbände und Interessenvertreter sollen sich dazu ermutigt fühlen, ebenfalls zu dem Entwurf Stellung zu beziehen. Gegenwind ist wichtig!

Das Fazit der DGUF lautet: Ein Desaster für den Kulturgutschutz; die unveränderte Inkraftsetzung des Gesetzes würde zudem das internationale Ansehen Deutschlands schädigen.

Weitere Links zum Thema:

Archaeologik: „Ein Desaster für den Kulturgutschutz“ – DGUF als Fachverband kritisiert den Entwurf des neuen Kulturgüterschutzgesetz

Ehrenamt in Archäologie und Bodendenkmalpflege

Eine Bürgerbeteiligung auf ehrenamtlicher Basis in der Archäologie und Denkmalpflege ist richtig und wichtig! Es gibt vielfältige Möglichkeiten sich zu engagieren. Dazu zählen vor allem Feldbegehungen (Oberflächensurveys) inklusive der Dokumentation von Funden, Baubeobachtungen oder gar eine Teilnahme an einer archäologischen Ausgrabung.

Archäologische Grabung am Wellberg bei Pfungstadt unter Beteiligung von Ehrenamtlichen des Vereins terraplana sowie von Studierenden der Goethe-Universität Frankfurt/M. (Foto: Biggi Schroeder)

Wer Interesse an den genannten Themenfeldern hat, dem empfehle ich den direkten Kontakt zu den jeweiligen Ansprechpartnern zu suchen. Nachfolgend habe ich daher einige Links zu den entsprechenden Webseiten zusammengestellt. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit… 😉

Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg

http://www.denkmalpflege-bw.de/geschichte-auftrag-struktur/die-beteiligten-stellen-sich-vor/ehrenamtlich-beauftragte.html

Landesarchäologie Mecklenburg-Vorpommern

http://www.kulturwerte-mv.de/cms2/LAKD1_prod/LAKD1/de/Landesarchaeologie/Ehrenamtliche_Mitarbeit/Bodendenkmalpflege/Weiterbildungslehrgang_fuer_ehrenamtliche_Bodendenkmalpfleger/index.jsp

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

http://www.blfd.bayern.de/denkmalerfassung/denkmalliste/ehrenamt/

HessenArchäologie

http://www.hessen-archaeologie.de/Ehrenamt/ehrenamt.html

LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland

http://www.denkmalpflege.lvr.de/de/service/infos_fuer_ehrenamtliche/infos_fuer_ehrenamtliche_1.html

Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz – Direktion Landesarchäologie Mainz

http://www.archaeologie-mainz.de/

Ministerium für Bildung und Kultur / Landesdenkmalamt Saarland

http://www.saarland.de/47308.htm

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Sachsen-Anhalt

http://www.lda-lsa.de/landesamt_fuer_denkmalpflege_und_archaeologie/ehrenamtliche_mitarbeiter/

Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein

http://www.schleswigholstein.de/DE/Landesregierung/ALSH/Service/Zertifizierung/zertifizierungskurse.html

Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie

http://www.thueringen.de/th1/tsk/kultur/denkmalpflege/denkmalpflegethueringen/struktur/ehrenamt/index.aspx

LWL-Archäologie für Westfalen

https://www.lwl-archaeologie.de/archaeologische-denkmalpflege

Keramik des Früh- bis Hochmittelalters: Die ältere gelbe Drehscheibenware

Bei der Begehung meiner beiden Fundstellen im Raum Groß-Gerau treffe ich öfter einmal auf Scherben der älteren, gelben Drehscheibenware. Das veranlasst mich zu der Frage: Warum tauchen bestimmte mittelalterliche Warenarten, wie beispielsweise die ältere gelbe Drehscheibenware“ des Typs Kirchhausen“, im Fundspektrum der Wüstungen auf? Das lässt sich sicher nicht abschließend beantworten. Eines steht jedoch fest: Hinsichtlich der Verbreitung mittelalterlicher Import-Keramik im hessischen Ried ist anzunehmen, dass diese durch die günstige Verkehrslage der Handelswege – zu Fluss und über Land – beeinflusst wurde.

Ein Blick in die Siedlungsgeschichte des Raumes Trebur/Astheim während des Früh- und Hochmittelalter macht deutlich, dass die ehemals von den Römern besiedelten Flächen im Früh- und Hochmittelalter von den Merowingern und Karolingern weitergenutzt wurden. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich heute noch Spuren der ehemaligen Siedlungs- und Bestattungsplätze auch in Form von zerscherbter Keramik an der Oberfläche der Äcker zeigen.

Eine kurze Zusammenfassung zu der Geschichte Trebur-Astheims bietet auch die Webseite der Eugen-Schenkel-Stiftung: http://www.eugen-schenkel-stiftung.de/html/archaeologie/mittelalter.htm

Die ältere, gelbe Drehscheibenware

Einen guten Überblick zu der Warenart bietet beispielsweise die Webseite der Uni Tübingen mit der Vergleichssammlung des Institutes für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters. Hier gibt es unter anderem auch Zeichnungen, welche die einzelnen Gefäßtypen darstellen. Und man bekommt eine Vorstellung davon, wie die Gefäße einst ausgesehen haben: http://www.ufg-db.uni-tuebingen.de/sammlung-ma/warenarten/wa2.php

Die einzelnen Phasen der älteren, gelben Drehscheibenware

Typ Roeschwoog (erstes Viertel des 7. Jhd.)
Die chronologische Stellung dieser ältesten Formen der älteren gelben Drehscheibenware ist aufgrund der unlängst publizierten Befundsituation im benachbarten unterelsässischen Roeschwoog bekannt. Dort gelang es dank Dendrodaten von Hölzern aus einem Brunnen die früheste Phase der älteren gelben Drehscheibenware im ersten Viertel des 7. Jahrhunderts. zu verankern.1

Typ Kirchhausen (Spätes 7. Jhd. bis Anfang 9. Jhd.)
Relativ eindeutig erkennbar ist der „Typ Kirchhausen“ unter anderem an seiner Verzierung. Einige Varianten davon zeigen diese Fotos:

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Die Verzierung kann auch in Form von breiten, tiefen Riefen an der Gefäßoberfläche in Erscheinung treten, manchmal auch in Kombination mit einer Rollstempelzier.

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Scherbe des Typs Kirchhausen mit breiter Riefung an der Oberfläche. (Foto: Biggi Schroeder)
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2 Wandscherben des Typs Kirchhausen. Hier zeigt sich, welches Farbspektrum bei dem oxidierenden Brand entstehen kann. Es können sogar orange und rötliche Farbtöne entstehen. (Foto: Biggi Schroeder)

Meist wirkt die Scherbenoberfläche wie aufgeplatzt. Das kommt daher, weil die teils sehr groben Bestandteile der Magerung durchstoßen werden.

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Wandscherbe des Typs Kirchhausen mit Rollstempeldekor im Wolfszahnmuster. Links oben, am Rand der ersten Rollstempelreihe, sieht man schön die groben, roten Magerungsbestandteile. (Foto: Biggi Schroeder)

Ein weiteres Erkennungsmerkmal sind die waagrecht ausgebogenen, oft spitz ausgezogenen Ränder der Gefäße. 2

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Links: Randscherbe mit waagerecht ausgezogenem Rand und Rollstempeldekor. Rechts: Wandscherbe mit Wellenzier. (Foto: Biggi Schroeder)


Typ Runder Berg (Phase 9. Jhd. bis 10. Jhd.)
Diese Warenart wird durch verdickte, häufig kantige und innen leicht gekehlte Schrägränder und durch das Fehlen jeglicher Verzierung gekennzeichnet. 3

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Diese Randscherbe würde eigentlich sehr gut dem „Typ runder Berg“ entsprechen, wäre da nicht die Verzierung unterhalb des Randes. Daher kann es sich hierbei möglicherweise um eine „Übergangswarenart“ handeln. (Foto: Biggi Schroeder)
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Hier noch die zuvor abgebildete Scherbe im Profil. (Foto: Biggi Schroeder)


Typ Jagstfeld (Phase Anfang 11. Jhd. bis Mitte 12. Jhd.)

Die Ränder des Typs Jagstfeld besitzen eine kantige, nach innen abgeschrägte und meist leicht gekehlte Randlippe. 4

TIPP:
  Hier noch der Hinweis auf einen Beitrag von Rainer Schreg zur mittelalterlichen Keramik aus Geislingen, den er in seinem Blog Archeologik veröffentlicht hat. Er beschreibt darin u.a. auch die ältere gelbe Drehscheibenware: http://archaeologik.blogspot.de/2011/12/mittelalterliche-keramik-aus-geislingen.html

Quellenangaben:
1          Uwe Gross, Transitionen – Übergangsphänomene bei südwestdeutschen
Keramikgruppen des frühen und hohen Mittelalters, in: Arnold, Susanne; Damminger, Folke; Gross, Uwe (Hrsgg.): Stratigraphie und Gefüge. Beiträge zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit und zur historischen Bauforschung. Festschrift für Hartmut Schäfer zum 65. Geburtstag. Esslingen 2008, S. 142
urn:nbn:de:bsz:16-artdok-6636

2 – 4    Rainer Schreg, Keramik aus Südwestdeutschland. Eine Hilfe zur Beschreibung, Bestimmung und Datierung archäologischer Funde vom Neolithikum bis zur Neuzeit. Lehr- und Arbeitsmaterialien zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Tübingen 1998, (unveränderter Nachdruck der 2. Auflage, 1999), S. 206-208