Bei der Begehung meiner beiden Fundstellen im Raum Groß-Gerau treffe ich öfter einmal auf Scherben der älteren, gelben Drehscheibenware. Das veranlasst mich zu der Frage: Warum tauchen bestimmte mittelalterliche Warenarten, wie beispielsweise die ältere gelbe Drehscheibenware“ des Typs Kirchhausen“, im Fundspektrum der Wüstungen auf? Das lässt sich sicher nicht abschließend beantworten. Eines steht jedoch fest: Hinsichtlich der Verbreitung mittelalterlicher Import-Keramik im hessischen Ried ist anzunehmen, dass diese durch die günstige Verkehrslage der Handelswege – zu Fluss und über Land – beeinflusst wurde.
Ein Blick in die Siedlungsgeschichte des Raumes Trebur/Astheim während des Früh- und Hochmittelalter macht deutlich, dass die ehemals von den Römern besiedelten Flächen im Früh- und Hochmittelalter von den Merowingern und Karolingern weitergenutzt wurden. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich heute noch Spuren der ehemaligen Siedlungs- und Bestattungsplätze auch in Form von zerscherbter Keramik an der Oberfläche der Äcker zeigen.
Eine kurze Zusammenfassung zu der Geschichte Trebur-Astheims bietet auch die Webseite der Eugen-Schenkel-Stiftung: http://www.eugen-schenkel-stiftung.de/html/archaeologie/mittelalter.htm
Die ältere, gelbe Drehscheibenware
Einen guten Überblick zu der Warenart bietet beispielsweise die Webseite der Uni Tübingen mit der Vergleichssammlung des Institutes für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters. Hier gibt es unter anderem auch Zeichnungen, welche die einzelnen Gefäßtypen darstellen. Und man bekommt eine Vorstellung davon, wie die Gefäße einst ausgesehen haben: http://www.ufg-db.uni-tuebingen.de/sammlung-ma/warenarten/wa2.php
Die einzelnen Phasen der älteren, gelben Drehscheibenware
Typ Roeschwoog (erstes Viertel des 7. Jhd.)
Die chronologische Stellung dieser ältesten Formen der älteren gelben Drehscheibenware ist aufgrund der unlängst publizierten Befundsituation im benachbarten unterelsässischen Roeschwoog bekannt. Dort gelang es dank Dendrodaten von Hölzern aus einem Brunnen die früheste Phase der älteren gelben Drehscheibenware im ersten Viertel des 7. Jahrhunderts. zu verankern.1
Typ Kirchhausen (Spätes 7. Jhd. bis Anfang 9. Jhd.)
Relativ eindeutig erkennbar ist der „Typ Kirchhausen“ unter anderem an seiner Verzierung. Einige Varianten davon zeigen diese Fotos:
Die Verzierung kann auch in Form von breiten, tiefen Riefen an der Gefäßoberfläche in Erscheinung treten, manchmal auch in Kombination mit einer Rollstempelzier.


Meist wirkt die Scherbenoberfläche wie aufgeplatzt. Das kommt daher, weil die teils sehr groben Bestandteile der Magerung durchstoßen werden.

Ein weiteres Erkennungsmerkmal sind die waagrecht ausgebogenen, oft spitz ausgezogenen Ränder der Gefäße. 2

Typ Runder Berg (Phase 9. Jhd. bis 10. Jhd.)
Diese Warenart wird durch verdickte, häufig kantige und innen leicht gekehlte Schrägränder und durch das Fehlen jeglicher Verzierung gekennzeichnet. 3


Typ Jagstfeld (Phase Anfang 11. Jhd. bis Mitte 12. Jhd.)
Die Ränder des Typs Jagstfeld besitzen eine kantige, nach innen abgeschrägte und meist leicht gekehlte Randlippe. 4
TIPP: Hier noch der Hinweis auf einen Beitrag von Rainer Schreg zur mittelalterlichen Keramik aus Geislingen, den er in seinem Blog Archeologik veröffentlicht hat. Er beschreibt darin u.a. auch die ältere gelbe Drehscheibenware: http://archaeologik.blogspot.de/2011/12/mittelalterliche-keramik-aus-geislingen.html
Quellenangaben:
1 Uwe Gross, Transitionen – Übergangsphänomene bei südwestdeutschen
Keramikgruppen des frühen und hohen Mittelalters, in: Arnold, Susanne; Damminger, Folke; Gross, Uwe (Hrsgg.): Stratigraphie und Gefüge. Beiträge zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit und zur historischen Bauforschung. Festschrift für Hartmut Schäfer zum 65. Geburtstag. Esslingen 2008, S. 142
urn:nbn:de:bsz:16-artdok-6636
2 – 4 Rainer Schreg, Keramik aus Südwestdeutschland. Eine Hilfe zur Beschreibung, Bestimmung und Datierung archäologischer Funde vom Neolithikum bis zur Neuzeit. Lehr- und Arbeitsmaterialien zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Tübingen 1998, (unveränderter Nachdruck der 2. Auflage, 1999), S. 206-208