Eine Gesichtsurne ist eine Bestattungsurne, die gesichtsähnliche Verzierungen auf dem Gefäßkörper aufweist. Es gab sie bereits in einigen Gegenden seit der Jungsteinzeit. Darin wurde der bei einer Feuerbestattung entstehende Leichenbrand aufbewahrt.
Bei meinem Fundstück handelt es sich um das Fragment einer römischen Gesichtsurne. Man erkennt auf der Scherbe die Darstellung eines Auges sowie einen Teil der Augenbraue. Die Scherbe stammt von einer Fundstelle, auf der auch eine römische Villa zu vermuten ist. Inwieweit da an einen Grabkontext zu denken ist, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Es wäre es zumindest möglich!
Fundstück von meiner Villenstelle: Scherbe einer römischen Gesichtsurne mit der Darstellung des Auges und ein Teil der Augenbraue (Foto: Biggi Schroeder)
Zum Vergleich mit meinem Fundstück: Fotos kompletter Gesichtsurnen
Einige Museen beherbergen komplette Gesichtsurnen. Ich habe hier einmal einige Beispiele aus dem Internet zusammengestellt. Zum anschauen einfach auf den Link klicken…
Die Art der Verzierung eines Gefäßes kann für die archäologischen Wissenschaften von großer Bedeutung sein, denn nicht selten lassen sich anhand der diversen Stempelverzierungen auf den Gefäßen einzelne Absatzgebiete der Töpfereien sowie auch die Handelswege der Ware nachvollziehen. Selbst eine zeitliche Einordnung ist – unter der Berücksichtigung weiterer Kriterien wie Scherben-Beschaffenheit und Form – möglich.
Im Laufe der Jahre habe ich bei regelmäßigen Begehungen von zwei Wüstungen ebenfalls schon einige dieser stempelverzierten merowingerzeitlichen Scherben gefunden – so auch jetzt wieder bei meiner Begehung vom 13. August 2017. Typischerweise ist diese Keramik der Merowingerzeit ja eher aus Grabfunden bekannt. Dennoch tauchen sie auch öfters im Fundmaterial der von mir begangenen ehemaligen Siedlungen auf. Einige dieser verzierten Scherben möchte ich nun hier vorstellen.
Die frühe Phase: Anfang des 6. Jhd. n. Chr.
Einige der Scherben meines Fundmaterials sind anhand bestimmter Kriterien der frühen Phase zuzuordnen. Da wären zum Beispiel Verzierungen zu nennen, welche mit einem sogenannten Einzelstempel angebracht wurden.
Randscherbe mit Einzelstempel (liegende S) und umlaufender Wulst unter dem Rand (Foto: Biggi Schroeder)Randscherbe mit Halbbogenstempel-Einzelstempel (Foto: Biggi Schroeder) Wandscherbe mit Einzelstempel in Kreisform (Foto: Biggi Schroeder)
Anschlussphase: ab Mitte des 6. Jahrhundert n. Chr.
Im späteren Verlauf, etwa ab der Mitte des 6. Jhd. n Chr., traten dann Einzelstempel auch in Kombination mit Rollstempeln auf.
Wandscherbe mit halbbogenförmigem Einzelstempel in Kombination mit Rollstempelzier (Foto: Biggi Schroeder) Wandscherbe mit Rosettenstempel in Kombination mit mehrzeiligem Viereckrollstempel (Foto: Biggi Schroeder)Wandscherbe mit umlaufender Wulst und einzeln gestempelten, senkrecht gestellten, paarigen Vertiefungen (Foto: Biggi Schroeder)
Im Verlauf des späten 6 Jhd. bis hin zum 7. Jhd. n Chr. tauchten dann verstärkt auschließlich mehrzeiligen Rollstempelverzierungen an den Gefäßen auf. Hier einige Beispiele aus meinem Fundspektrum.
Zum Schluss noch ein wichtiger Aspekt: Funde und deren Dokumentation
Übrigens finden auch die Archäologen meine Fundstellen und die Funde sehr spannend – nicht zuletzt, weil ich stets eine saubere Dokumentation der Funde mitliefere. Diese ist deshalb so wichtig, weil erst dadurch jede einzelne Scherbe quasi eine „Herkunft“ erhält.
Meine Fundmeldung an die HessenArchäologie erfolgt übrigens immer erst am Ende eines Jahres. Der für meinen Bereich zuständige Archäologe schaut sich dann die Funde zusammen mit mir an. Diese kann ich im Anschluss dann wieder zuhause in meinen Fundkisten verstauen.