Ein beinerner Spinnwirtel mit Kreisaugen-Dekor aus Trebur-Astheim

Vor einigen Wochen habe ich bei einem Survey ein Bruchstück eines halbkugeligen, mit Kreisaugen und Linien verzierten beinernen Spinnwirtels gefunden. Wie bei allen Fundstücken erfolgte zunächst am Fundort die Feststellung der Koordinaten per GPS. Später habe ich das Fundstück unter fließendem Wasser vorsichtig gereinigt, erst dann wurden die Verzierungselemente vollständig sichtbar.

Natürlich wollte ich wissen, ob es sich bei meinem Wirtel um ein frühmittelalterliches Produkt handelt. Zunächst konsultierte ich entsprechende Publikationen in meinem Bücherregal. Ein Blick in die Dissertation von Rainer Schreg 1) war vielversprechend. Er beschreibt dort einen ähnlichen Spinnwirtel (aus Bein) mit Zirkelschlag-Verzierung, welchen er anhand von zahlreichen Vergleichsfunden aus Reihengräberfeldern etwa in die Zeit 2. Hälfte des 6. Jhd. bis ins frühe 7. Jhd. datiert. Ich gehe davon aus, dass dieser Zeithorizont auch auf meinen Spinnwirtel zutrifft. Entsprechende Keramikfunde aus der Merowingerzeit würden u.a. ebenfalls dafürsprechen. Allerdings gibt es dort auch sehr viel Keramik aus der Römerzeit.

Rainer Schreg sieht einen Verbreitungsschwerpunkt der beinernen Wirtel im heutigen Rheinland-Pfalz. Er führt aus, dass beinerne Spinnwirtel anhand ihres Dekors oder anhand ihrer Form in mehrere Gruppen gegliedert werden können. Chronologische Unterschiede sind demnach ebensowenig auszumachen wie besondere Verbreitungsgebiete.

Interessant finde ich auch seinen Hinweis zur Herkunft der Wirtel: Demnach hält U. Koch sie aufgrund ihrer Verbreitung für Erzeugnisse fränkischer Beinschnitzer, wohingegen Schulze-Dörrlamm sie als typische Grabbeigabe des ostfränkischen und alamannischen Gebietes bezeichnet.

Des weiteren habe ich noch in der Dissertation von Thomas Maurer2) recherchiert. Auf Seite 189 sind drei beinerne verzierte Spinnwirtel für das Fundgebiet Trebur-Astheim publiziert. Die Fußnote dazu lautet: Eine römische Zeitstellung der Beinfunde in keinem Fall als sicher gelten kann.

Etwas verwundert hat mich allerdings auch die Datierung eines vergleichbaren Spinnwirtels auf der Webseite der Universität Innsbruck: Kleine Spindeltypologie oder Die Menschen spinnen – weltweit. Es geht um den Wirtel (siehe Nr 2 auf dem Foto), der in der Fußnote des Fotos als römisch angesprochen wird.

Fazit: Obwohl ich diesen Fundplatz bereits seit ca. 9 Jahren systematisch begehe, ist der Fund dieses Spinnwirtel aus Bein sozusagen eine Premiere (… in meinen Augen ein besonders spannender Fund, über den ich am liebsten noch sehr viel mehr wissen möchte).

Literatur:

1.) Rainer Schreg: Dorfgenese in Südwestdeutschland. Das Renninger Becken im Mittelalter. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 76 (Stuttgart 2006), Seite 148-149.

2.) Thomas Maurer: Das nördliche Hessische Ried in römischer Zeit: Untersuchungen zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte im rechtsrheinischen Vorfeld von Mainz vom 1. bis 5. Jahrhundert n. Chr. (Seite 189)
Band 14 von Frankfurter archäologische Schriften

Wenn Scherben sprechen! – Ein Einblick in die Welt der ehrenamtlichen archäologischen Denkmalpflege

Vor 3 Wochen wurde ich vom Heimat- und Geschichtsverein Worfelden gefragt, ob ich für Mitglieder und Gäste einen Vortrag über meine ehrenamtliche Tätigkeit in der Bodendenkmalpflege halten könnte. Ich habe gerne zugesagt, über mein „nicht ganz alltägliches Hobby“ zu berichten.

Mir war vor allem wichtig, dass neben dem Spaß an den Feldbegehungen auch die Verantwortung im Umgang mit archäologischen Funden im Fokus steht. Ich denke, ich habe die „Message“ gut rüberbringen können.

Wer Interesse daran hat, der kann sich das PDF des Vortrags hier anschauen :
Wenn Scherben sprechen! – Ein Einblick in die Welt der ehrenamtlichen archäologischen Denkmalpflege

Prudentia potentia est! – Keine Mittel mehr für Weiterbildungsmaßnahmen der Laienforscher!

Bis einschließlich 2015 wurden seitens der HessenArchäologie jährlich zahlreiche Weiterbildungsmaßnahmen für Ehrenamtliche Laienforscher angeboten. Die Kurse waren gegen eine Gebühr von jeweils ca. 15 EUR buchbar. Doch damit ist es vorbei, denn seit dem Jahr 2016 wurden aufgrund der immer dünner werdenden Personaldecke keine Weiterbildungen mehr angeboten.

Die HessenArchäologie steht derzeit wohl mit dem Ministerium in Kontakt und versucht eine neue Lösung für Weiterbildungsmaßnahmen zu finden. Noch ist nicht bekannt, ob und in welcher Form diese stattfinden könnten. Da bleibt nur abwarten…

Eine Ideenspielerei: Wäre eine Kooperation mit archäologischen Forschungszentren und/oder Universitäten realistisch?

Auch ich habe mir zu diesem Thema einige Gedanken gemacht. Es geht mir dabei nicht nur um die Weiterbildung, sondern ich denke da sogar noch einen Schritt weiter. Und zwar an die Keramikforschung und ihre Möglichkeiten…

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Nehmen wir beispielsweise meine Keramikfunde – diese stammen allesamt von 2 Wüstungen im Kreis Groß-Gerau. Was mich als Laienforscherin aber besonders interessiert, ist der Blick über den Tellerrand hinaus. Sprich: Welches Keramikspektrum findet sich in anderen Regionen und kann man direkte Vergleiche ziehen? Wie lange waren diverse Formen der Keramik wo im Gebrauch? Es gibt sehr viele Forschungsfragen die man dazu stellen könnte!

Natürlich gibt es Publikationen, aber oft ist nur ein kleiner Teil der Keramik publiziert worden. Und genau da liegt unsere gemeinsame Chance: Meine Idee wäre es, an den Universitäten und auch an Forschungseinrichtungen (z.B. RGZM etc…) regelmäßige Keramiktage für Wissenschaftler und Laienforscher einzurichten.  Ein- bis zweimal im Jahr, das wäre sicher zu stemmen! Alle Teilnehmer könnten dabei gleichermaßen profitieren! Man hätte die Möglichkeit, gemeinsam über Keramikfunde aus den unterschiedlichsten Regionen des Landes und deren Besonderheiten zu diskutieren.

Vielleicht kommen auf die Art sogar sehr interessante Funde an Licht, die möglicherweise ansonsten verborgen in irgendwelchen Kästen oder Vitrinen schlummern würden. Die Koordination könnte über die jeweiligen Landesdenkmalämter erfolgen… so meine Idee!

Mag sein, ich bekomme jetzt „Haue“ weil es völlig weit hergeholt ist. Aber das Gute an einem Blog ist, dass man mit seinen Ideen spielen kann. Und wer weiß was daraus entsteht… 😉

Terra Sigillata-Lesefunde aus dem Kreis Groß-Gerau

Fast jeder von uns kennt Terra Sigillata aus den römischen Abteilungen der Museen. Es handelt sich dabei um das rote, teils mit schönen Bildreliefs verzierte, Glanztongeschirr der Römer.

Bei den regelmäßigen Surveys der beiden von mir betreuten Fundstellen im Kreis Groß-Gerau tauchen auch immer wieder Terra Sigillata-Scherben auf.  Am häufigsten sind unverzierte, kleine Fragmente zu finden. Diese kann man leider nicht zweifelsfrei einer bestimmten Form zuordnen. Trotzdem ist oft anhand der Scherbenbeschaffenheit die Bestimmung des Produktionsortes möglich.

Nachfolgend möchte ich einige meiner Funde vorstellen:

Südgallische Terra Sigillata
Produktionsort: La Graufesenque (heutiges Frankreich)

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Das Bildmotiv zeigt nur die Hälfte eines Tieres, daher ist eine eindeutige Bestimmung der Darstellung nicht möglich. Am ehesten würde ich die Darstellung eines Greifs vermuten (VGL bei Datenbank Samian Ware, Oswald 878)

Töpferstempel FIRMO
Mein Highlight: Der Töpferstempel des FIRMO ii (ca 65-80 n. Chr.) vgl. Hartley/Dickinson 2008c)

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Zu dieser Tasse der Form DRAG 27 gehört der Töpferstempel FIRMO (siehe oben)

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Schüssel der Form DRAG 29. Sichtbares Dekor: Rankenfries

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Schüssel der Form DRAG 29. Sichtbares Dekor: Girlande und eine Gans in der Mitte

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Schüssel der Form DRAG 29. Sichtbares Dekor: Rankenfries

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Sichtbares Dekor: 2 Männerfiguren (rechts im Bild ist eine Männergestalt gut erkennbar, links ist nur der Arm und der Oberkörper sichtbar)

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Schüssel der Form DRAG 30. Sichtbares Dekor: Perlstab & florales Muster

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Randscherbe der Form DRAG 29

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Randscherbe der Form DRAG 27

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Randscherbe einer Kragenrandschüssel – Curle 11/Ho 12

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Kompletter Boden einer DRAG 30 Schüssel

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Rand von einem Napf  der Form DRAG 27 (mit eingeschnürter Wandung)

 

Ostgallische Terra Sigillata
Produktionsort: vermutlich Trier

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Rankenfries mit Vogel – vermutlich Trierer Produktion

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Tasse bzw. Napf der Form DRAG 33 aus Ostgallien

Ostgallische Terra Sigillata
Produktionsort: Rheinzabern

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Fragment einer großen Platte aus der Rheinzaberner Produktion


Interessante Links zum Thema Terra Sigillata:

Samian Research Database des RGZM (Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz)

Antike Tischkultur

Terra Sigillata Museum Rheinzabern

Potsherd : Atlas of Roman Pottery

Site archéologique Gallo-romain

Danksagung:
Mein Dank geht an Folkert Tiarks M.A. für die Hilfestellung bei der Bestimmung des Töpferstempels.

Kein alltäglicher Fund! – Die Scherbe einer römischen Gesichtsurne

Eine Gesichtsurne ist  eine Bestattungsurne, die gesichtsähnliche Verzierungen auf dem Gefäßkörper aufweist. Es gab sie bereits in einigen Gegenden seit der Jungsteinzeit. Darin wurde der bei einer Feuerbestattung entstehende Leichenbrand aufbewahrt.

Bei meinem Fundstück handelt es sich um das Fragment einer römischen Gesichtsurne. Man erkennt auf der Scherbe die Darstellung eines Auges sowie einen Teil der Augenbraue. Die Scherbe stammt von einer Fundstelle, auf der auch eine römische Villa zu vermuten ist. Inwieweit da an einen Grabkontext zu denken ist, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Es wäre es zumindest möglich!

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Fundstück von meiner Villenstelle: Scherbe einer römischen Gesichtsurne mit der Darstellung des Auges und ein Teil der Augenbraue (Foto: Biggi Schroeder)

Zum Vergleich mit meinem Fundstück: Fotos kompletter Gesichtsurnen

Einige Museen beherbergen komplette Gesichtsurnen. Ich habe hier einmal einige Beispiele aus dem Internet zusammengestellt. Zum anschauen einfach auf den Link klicken…

Gesichtsurne aus dem Museum Großkrotzenburg

Gesichtsurne im Museum der Burg Linn

Römische Gesichtsurne aus dem Historischen Museum der Pfalz, Speyer

RGM, Köln  Gesichtsurne mit Schutzzauber

Gesichtsurne (Museum der Stadt Boppard)

Gesichtsurne vom Unterradlberg  (Stadtmuseum St. Pölten)

Danksagung:
Vielen Dank an Folkert Tiarks M.A., der mir sehr bei der Bestimmung der Scherbe geholfen hat 🙂